Gesund vs. Angebot

Freitag, 01. Dezember 2023
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Welche Rolle «gesunde Ernährung(sangebote)» für Verbraucher spielen, welche Erwartungen sie an diese stellen und welches Marktpotenzial Lebensmittel mit gesünderen Rezepturen tatsächlich haben – das zeigt die CSR-Kompass-Studie «Konsum-Klimawandel 2023». 

Die Herstellung gesünderer Produkte (weniger Zucker, Salz, Fett) ist nach Einschätzung der befragten Verbraucher (31 %) ein Teil der gesellschaftlichen Verantwortung der Lebensmittelproduzenten. Allerdings werden aus Sicht der Konsumenten die Hersteller ihrer Verantwortung aktuell noch nicht gerecht. Zwei Drittel der Befragten sind der Ansicht, dass zu viel Ungesundes angeboten wird (67 %). Und sechs von zehn Shoppern glauben, dass für eine Ausweitung des Angebots gesunder Produkte staatliche Regelungen erforderlich sind. In dem Kontext befürworten 86 Prozent die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse und 79 Prozent sprachen sich für eine verpflichtende Kennzeichnung des Nährwertes aus wie etwa mit dem Nutri-Score. 
Kaum Akzeptanz gibt es dagegen für Massnahmen, bestimmte Produkte gänzlich aus dem Regal zu verbannen. Fast 90 Prozent der Befragten assoziieren mit gesunder Ernährung ein «gesundes Mass» statt «ganz oder gar nicht». 72 Prozent der Studienteilnehmer wollen sich nicht vom Staat vorschreiben lassen, womit und wie sie sich gesund ernähren. «Was gesunde Ernährung bedeutet, ist jedoch nicht für jeden gleichermassen leicht zu verstehen, und das Thema ist vielleicht auch mit unangenehmen Gefühlen und einem schlechten Gewissen verbunden», berichtet Birgit Höh, CEO von smartcon. So verbinden laut Studie 57 Prozent der Befragten mit gesunder Ernährung den Aspekt «teuer», 46 Prozent finden sie «anstrengend» und für 45 Prozent bedeutet sie «Verzicht».

 
Chance für neue Konzepte  
Auf der anderen Seite gibt es aber auch ein hohes Mass an Aufgeschlossenheit. «Für 80 Prozent der Shopper bedeutet gesunde Ernährung, die Chance Neues zu entdecken», so Höh. Und mit einem grösseren Angebot könnte es auch einfacher werden, sich gesünder zu ernähren (54 %). Zu den Chancen gehört also auch, dass ein gesünderes Angebot Absatzpotenziale schaffen kann. «Haben Konsumenten nicht mehr das Gefühl, sich zugunsten ihrer Gesundheit selbst beschränken zu müssen, ergeben sich für Produkte neue beziehungsweise zusätzliche Konsum-Möglichkeiten», resümiert Höh. Um die Potenziale zu heben, gilt es Rezepturen zu entwickeln, die nach wie vor gut schmecken. Darüber hinaus gilt es, die Einstellungen der produkt- und markenspezifischen Zielgruppen zu verstehen. 
 
Änderungen von Rezepturen 
Wenn es um die Reduktion von Fett, Zucker oder Salz geht, bestehen jedoch Unterschiede in der Akzeptanz. «Denn die Barriere «ungesund», als Grund, ein Produkt nicht zu konsumieren, wirke in den einschlägig bekannten Kategorien wie TK-Fertiggerichten, TK-Pommes, Softdrinks, Schokoladenprodukten und anderen Süssigkeiten sowie salzigen Snacks», so Birgit Höh. Weder Preis noch Geschmack spielen hier eine Rolle. So zeigen sich die Verbraucher gegenüber einer Umstellung auf einen geringeren Zuckeranteil oder Ersatzstoffe aufgeschlossen. Mehr als drei Viertel der Befragten würden ihren Konsum nicht verringern, 32 Prozent würden sich noch öfter süsse Desserts gönnen. Ähnlich zeigen sich die Ergebnisse bei Fett und Salz. Wären TK-Fertiggerichte und TK-Pommes, Fast Food und salzige Snacks weniger salzig und fettig, würden 80 Prozent der Befragten genauso oft oder sogar öfter zugreifen. 
 
Resümee der Studie
Fast 50 Prozent der Befragten möchten sich gesünder ernähren. Davon schauen 75 Prozent auf Inhaltsstoffe und orientieren sich am Nutri-Score. Und 78 Prozent würde es helfen, wenn es weniger ungesunde Lebensmittel gäbe. «Die Mehrheit der Verbraucher wünscht sich daher von den Herstellern mehr gesunde Ernährungsangebote», sagt Höh. Indes sind viele Produkte aus Sicht von smartcon nicht wirklich gut ausgelobt: «Wenn «ohne Fett», «ohne Zucker», «weniger Salz» darauf steht, ist das geeignet, zumindest von einem Teil der Konsumenten mit Verzicht und einem reduzierten Geschmackserlebnis assoziiert zu werden.» Viele Shopper wüssten jedoch, dass Zucker, Fett und Salz Geschmacksträger sind. Die Herausforderung bestehe darin, gesündere Produkte spannend und interessant zu machen, und eben nicht mit einer Verzichtserklärung zu versehen. «Es macht einen Unterschied, ob man «salzreduziert» anbietet oder «mit frischen Gartenkräutern gewürzt» auslobt. Mit anderen Worten, gesunde Produkte brauchen einen klaren und nachvollziehbaren Mehrwert, warum sie schmecken», berichtet Höh. Konsumenten seien insgesamt offen für gesunde Produkte. Hier ergebe sich ein riesiges Spielfeld für Innovationen der Hersteller, mit denen sich die Verbraucher immer wieder aufs Neue begeistern liessen. 
 

«Gesunde Produkte brauchen einen klaren Mehrwert»

Welche Chancen gesündere Produkt auf dem Markt haben und was der Verbraucher erwartet – darüber hat das Markant Magazin ONE mit Birgit Höh gesprochen, CEO bei smartcon.

Für welche Gruppe der Konsumenten hat «Gesunde Ernährung» die grösste Relevanz?
Birgit Höh:
Das Thema betrifft in gewisser Weise alle Konsumenten. Wir sehen aber schon, dass es für bestimmte Gruppen noch stärker der Fall ist: Für Frauen ist gesunde Ernährung relevanter als für Männer, für jüngere mehr als für ältere. Das Bildungsniveau spielt ebenfalls eine grosse Rolle: Mit zunehmender Bildung denken Menschen auch mehr über gesunde Ernährung nach.

Welche Zielgruppe wünscht sich gesündere Produkte?
Birgit Höh:
Jüngere wünschen sich das verstärkt, auch hier wieder eher Frauen als Männer. Am stärksten aber sieht man es bei Familien mit Kindern unter 18 Jahren im Haushalt: Hier ist besonders der Wunsch nach mehr gesunden Fertiggerichten gross (über 60%). Zeit ist in Haushalten mit Kindern ein knappes Gut, gleichermassen die Verantwortung grösser: Es geht eben nicht nur um die eigene Gesundheit.

Es sind bereits viele Produktkonzepte, wie «zuckerfrei», «weniger Fett» oder «reich an Proteinen» auf dem Markt. Werden diese vom Shopper nicht wahrgenommen?
Birgit Höh:
Weder im Regal noch medial sind diese Produkte besonders präsent. Viele Produkte sind aus unserer Sicht zudem nicht gut ausgelobt: Wenn «ohne Fett», «ohne Zucker», «weniger Salz» darauf steht, ist das geeignet, zumindest von einem Teil der Konsumenten mit Verzicht und einem reduzierten Geschmackserlebnis assoziiert zu werden. Viele wissen: Zucker, Fett und Salz sind Geschmacksträger. Die Herausforderung ist also, gesündere Produkte spannend und interessant zu machen, und nicht mit einer Verzichtserklärung zu versehen. Es macht einen grossen Unterschied, ob man «salzreduziert» anbietet oder «mit frischen Gartenkräutern gewürzt» auslobt. Mit anderen Worten, gesunde Produkte brauchen einen klaren RTB, warum sie schmecken.

Welche Relevanz hätte ein schlechter Nutri -Score für Verbraucher?
Birgit Höh:
Konsumenten möchten wissen, was in den Produkten ist. Insofern wird der transparente Umgang damit, wie zum Beispiel in Form des Nutri-Scores, begrüsst. Nur 15 Prozent sind sich dabei ganz sicher: Sie würden Produkte mit einem schlechteren Nutri-Score seltener kaufen. Hier stellt sich aber die Frage, ob das nicht eine reine Absichtserklärung ist.

Wie können Händler das Thema «Gesunde Ernährung» erfolgreich am POS spielen?
Birgit Höh:
Händler setzen schon an vielen Stellen Impulse, wie Präsentationen von Obst und Gemüse, Wochenmagazine mit Rezepten, mehr Vollkornprodukte oder kleine Tipps. Niemand kann im Laden die ganze Thematik «gesunde Ernährung» behandeln. Platzierung ist und bleibt sicherlich Thema. Vor allem aber: Entsprechenden Innovationen auch eine Chance geben und einen Moment Zeit lassen, damit solche Entwicklungen und Bestrebungen nicht im Keim erstickt werden.

 

 

 

 
 

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Die Studie

 
Die CSR-Kompass-Studie «Konsum-Klimawandel 2023» reiht sich ein in die Untersuchungen des CSR-Kompass mit verschiedenen Branchenschwerpunkten. Sie wird vom Marktforschungs- und Beratungsunternehmen smartcon GmbH und der CSR-Beratungsagentur KESSLER! Kommunikationsberatung durchgeführt und zeigt Trends im Bereich der Corporate Social Responsibility (CSR), der Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft. Für die CSR-Kompass-Studie «Konsum-Klimawandel 2023» wurden vom 14. bis 19.06.2023 über ein Online-Panel 750 einkaufsverantwortliche Verbraucher im Alter von 18 bis 65 Jahren befragt.