«Wasser ist Leben»

Freitag, 01. Dezember 2023
Foto: Dirk Bruniecki

Der Ex-St.-Pauli-Fussballstar Benjamin Adrion engagiert sich mit der Organisation Viva con Agua für den weltweiten Zugang zu sauberem Trinkwasser. Welche Vision er dabei verfolgt und wie er sie umsetzt, darüber hat das Markant Magazin ONE mit dem 42-Jährigen gesprochen.

Herr Adrion, Sie setzen sich für den weltweiten Zugang zu sauberem Trinkwasser ein. Wieso? 
Benjamin Adrion: Sauberes Trinkwasser verbessert und schützt die Gesundheit, gibt Kindern die Möglichkeit, dauerhaft zur Schule zu gehen, ermächtigt Frauen, stärkt die lokale Wirtschaft und ermöglicht eine bessere Zukunft. Dennoch haben noch immer über 700 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Das wollen wir ändern und das ist die Motivation für unser Handeln. Zudem ist Wasser als Element eine schöne Erinnerung daran, dass es ohne Wasser kein Leben gibt. Die Basis von Viva con Agua ist diese Verbundenheit, die wir miteinander haben und die wir auch als Grundlage unserer Aktivitäten sehen. 
 
Was gab den Anlass Viva con Agua zu gründen?
Benjamin Adrion: Initialzündung zur Gründung in 2006 war ein Trainingslager auf Kuba. Dort hatte ich die Entscheidung getroffen, meine Fussballkarriere zu beenden. Mit einem All-around-the-world-Ticket plante ich eine soziale Weltreise zu machen und mich in sozialen Projekten zu engagieren. Rund 24 Stunden später hatte mir der FC Sankt Pauli einen weiteren Jahresvertrag angeboten. So ist Viva con Agua als eine Kombination aus beidem entstanden. Ich habe mich dann dazu entschlossen, weiter Fussball zu spielen und die Plattform FC Sankt Pauli zu nutzen, um diese soziale Bewegung ins Leben zu rufen.
 
Wie setzen Sie Ihre Vision um? 
Benjamin Adrion: Wir unterstützen Projekte vor allem im östlichen und südlichen Afrika zum Bau von Brunnen und Latrinen, zudem führen wir Trainingsmassnahmen und Workshops durch. So versuchen wir ganzheitlich eine Transformation zu einer Welt ohne Durst. Viva con Agua zielt dabei auf zivilgesellschaftliches Engagement ab. Wir versuchen unsere Vision mit einem freudvollen, positiven Aktivismus zu erreichen. Mit Sport, Musik und Kunst als universelle Sprachen, mit Spass und Leidenschaft. Dadurch generieren wir Gelder, die aussschliesslich in WASH-Projekte in immer mehr Viva-con-Agua-Ländern fliessen. Uns geht es auch um diese gesellschaftliche Wirkung, die über das Wasser hinausgeht.  
 
Wofür steht WASH? 
Benjamin Adrion: WASH steht für Water, Sanitation and Hygiene. Unser zentrales Anliegen ist es, dass alle Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser, Hygieneeinrichtungen und sanitärer Grundversorgung bekommen. Daher folgen alle von uns unterstützten Projekte diesem Dreiklang. Im Zusammenspiel unterstützt WASH langfristig und nachhaltig den Erfolg der einzelnen Projektmassnahmen. 
 
Wie wird ein WASH-Projekt ausgewählt?
Benjamin Adrion: In Kooperation mit unseren Partnern wählen wir die Projekte mit den grössten Bedarfen aus  und verfolgen dabei die Fragestellung: Wo ist die Situation rund um Wasser, die Sanitärversorgung und Hygiene am schwierigsten? Wo haben die Menschen am wenigsten Zugang? Wo kann man Projekte initiieren oder wo können wir bereits initiierte Projekte unterstützen? Die meisten Projekte unterstützen wir auf dem afrikanischen Kontinent. Unsere Schwerpunkte liegen dabei auf Projekten in Uganda, Äthiopien, Mosambik und Südafrika. Mit diesen Ländern und unseren Partnerorganisationen vor Ort verbinden uns zum Teil jahrelange professionelle und persönliche Verbindungen. 
 
Woran arbeiten Sie derzeit?
Benjamin Adrion: Ich bin momentan mit der neu eröffneten Villa Viva in Hamburg beschäftigt. Direkt in Hamburg, zwischen Hauptbahnhof und Deichtorhallen, im historischen Münzviertel, entstand auf 12,5 Stockwerken unser neues und spannendes Gasthaus für’s Gemeinwohl mit 138 Zimmern, ARTrooms, unserem Restaurant Viva Cantina, der RoofDrop-Bar mit Weitblick über Hamburg sowie Eventräumen für Tagungen und Feierlichkeiten – ein echter «place of togetherness». Das Beste ist, dass mit jeder Übernachtung der Gast Gutes tun kann. Denn die Villa Viva ist das neue Social Business von Viva con Agua, in Kooperation mit den Heimathafen-Hotels. Das Haus, das Brunnen baut, ist mehrheitlich im Besitz von Viva con Agua. Mindestens 40 Prozent aller Gewinne der Villa Viva Gasthaus GmbH fliessen an Viva con Agua und unterstützen damit die 
Vision «Wasser für Alle».
 
Wie finanziert sich die Nonprofit-Organisation Viva con Agua?
Benjamin Adrion: Auf vielfältige Art und Weise, vor allem durch Spenden und ehrenamtliches Engagement wie das Pfandbechersammeln. Dabei werden jährlich auf etwa 150 Musikfestivals, auf 200 Musikveranstaltungen und in Fussballstadien von Ehrenamtlichen Pfandbecher als Spende eingesammelt. Wir veranstalten Spendenläufe, es gibt Fördermitgliedschaften. Im Juli dieses Jahres haben wir die Millerntor Gallery veranstaltet, das ist ein internationales Kunst-, Musik- und Kulturfestival im Millerntor-Stadion des FC St. Pauli. Es ist immer das ehrenamtliche Engagement und die Unterstützung der Menschen, die den grössten Teil ausmachen, das steht noch immer vor dem Social-Business-Aspekt. Dieser hat seine Wichtigkeit darin, dass wir zeigen wollen, dass ein Sozialunternehmen anders funktioniert als normales Wirtschaften und dass wir eine neue Wirtschaft brauchen, die sozial orientiert und gemeinnützig im Kern ist. Der Grossteil der Finanzierung kommt aus den gemeinnützigen Organisationen und dem ehrenamtlichen Engagement sowie den Spenden. 
 
Das Wasser wird knapp und der Grundwasserspiegel sinkt. Welche Möglichkeit der Trinkwasserversorgung gibt es ausser dem Brunnenbau?
Benjamin Adrion: Man sollte sich zur Sicherstellung der Wasserversorgung nicht ausschliesslich auf Brunnen verlassen, es geht auch um Regenwasserauffangsysteme oder andere Techniken. Das Projekt Cloudfisher in Tansania funktioniert beispielsweise so: In den Bergen wird die Luftfeuchtigkeit aufgenommen und das Wasser herausgefiltert. Ich bin der Auffassung, wenn es um die Herstellung von Trinkwasserversorgung geht, sollte immer kontextbasiert gehandelt werden.
 
Wieso bezahlen die Menschen in den Projektgebieten für die Nutzung eines Brunnens?  
Benjamin Adrion: Im Prinzip geht es  darum, dass man bei den Menschen vor Ort ein Ownership herstellen will. Wenn man keinen Beitrag zu etwas leistet, dann wird das einfach nicht wertgeschätzt. Daher sind im gesamten Prozess die Nutzer vollkommen eingebunden – von der Planung bis zur Gewährleistung oder zur langfristigen Pflege der Massnahmen. Da gibt es eben insbesondere bei Projekten wie Brunnen oder Wasserkiosken einen Obolus zu bezahlen, der dann von der Community verwaltet und langfristig zum Beispiel zur Pflege dieser Infrastruktur eingesetzt werden kann. 
 
Welche Ziele haben Sie sich für die Zukunft gesteckt?
Benjamin Adrion: Viele. Natürlich ist das Thema Wasser insgesamt, nicht nur die Trinkwasserversorgung auf dem afrikanischen Kontinent, sondern Wasser als Ressource und Lebenselixier auch in Deutschland, in Europa, auf der ganzen Welt ein immer relevanteres Thema. Deswegen haben wir einen wichtigen Auftrag: Das Wasser zu schützen und dessen Wertschätzung bei den Menschen zu steigern. Und dann möchten wir die Viva-con-Agua-Organisation weiterhin international wachsen lassen. 
 
Was können denn Händler und auch Verbraucher tun, um die Ressource Wasser zu schonen?
Benjamin Adrion: Sie können sich für Viva con Agua entscheiden statt für eine andere Wassermarke. Das Schöne ist, beim Verkauf von Viva con Agua fliesst immer ein Teil in die Projektarbeit. Und dann geht es im produzierenden Gewerbe natürlich um die Frage: Welche Technologien können wir einsetzen, um dort Wasser einzusparen? Das Thema des virtuellen Wassers ist wichtig. Wir sollten uns daher immer fragen, welchen Wasser-Fussabdruck hinterlassen die Produkte, die wir konsumieren und wie können wir ihn verkleinern. 

News

Foto: Stefanie Brückner

Vom 24. bis 25. April findet das 125. Markant Handelsforum statt. Zu erwarten sind neben zeitaktuellen Vorträgen und Innovationen für den POS auch ein praxisnaher Austausch.

Foto: Ben Pakalski

Tegut hat das Jahr 2023 mit einem Nettoumsatz von 1,28 Milliarden Euro abgeschlossen und damit das Ergebnis des Vorjahres um 2,44 Prozent übertroffen.

stock.adobe.com/Seventyfour

Nach einem Einbruch zu Jahresbeginn stabilisiert sich die Konsumstimmung in Deutschland jetzt wieder.

stock.adobe.com/Racle Fotodesign

In Österreich können biologische Lebensmittel trotz allgemeiner Teuerungen auf treue Verbraucher zählen.

Steckbrief 

Benjamin Adrion wurde 1981 in Stuttgart geboren. Sein Vater ist der ehemalige Fussballtrainer Rainer Adrion, der heute als Vizepräsident beim VfB Stuttgart aktiv ist. Er war als Mittelfeldspieler zwischen 2002 und 2007 bei den Bundesligisten VfB Stuttgart, Eintracht Braunschweig sowie dem FC St. Pauli unter Vertrag. 2005 reiste er mit dem FC St. Pauli für ein Trainingslager nach Kuba. Damals reifte die Idee für «Viva con Agua». Für sein Engagement erhielt er 2009 das Bundesverdienstkreuz, 2023 den Sonderpreis für Sozialunternehmer des Deutschen Gründerpreises. 
Der heute 42-Jährige hat zwei Kinder und lebt in Kapstadt und in Hamburg.  
 

Das Sozialunternehmen 

Im Jahr 2006 initiierte Benjamin Adrion die Gründung des Vereins Viva con Agua de Sankt Paul e. V. in Hamurg und ist mittlerweile im Vorstand der Viva con Agua Stiftung aktiv. 2010 schuf er das heutige Sozialunternehmen Viva con Agua Wasser GmbH. 2023 vollzieht er mit der Eröffnung der Villa Viva in Hamburg – einem sozialen Gasthaus in der Nähe des Hamburger Hauptbahnhofs – einen weiteren Schritt zu sauberem Wasser auf der Welt.