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Von Super-Alge bis Super-Wurzel, vom Duschgel bis zum Heissgetränk – der Superfood-Boom reisst nicht ab. Konkurrenz bekommen die bisher meist exotischen Wunderzutaten von regionalen Alternativen.
Avocado, Chia, Kurkuma, Quinoa oder Süsskartoffel – die Liste der sogenannten Superfoods ist lang. Erst recht seit sich der Fokus von Herstellern und Verbrauchern auch auf die «Superkräfte» von heimischem Obst, Gemüse oder Saaten richtet, wie etwa Himbeeren, Sanddorn oder Sonnenblumenkerne. Laut GfK profitierte «klassisches» – also heimisches – Superfood im Vergleich von 2017 bis 2021 sogar etwas stärker vom Verbraucherinteresse als «modernes» – exotisches – Superfood.
Begriff aus dem Marketing
«Allgemein bezeichnet «Superfood» Lebensmittel, die besonders gesund sein sollen und uns mit wertvollen Vitaminen, Spurenelementen oder Mineralien versorgen können», erklärt Sarah Krisl, Leiterin PR und Social Media bei Kneipp. Eine offizielle Definition oder allgemeingültige Regularien zur Verwendung der Bezeichnung «Superfood» gebe es nicht, da es sich um einen Marketingbegriff handelt. «Enthält ein Produkt gesunde Obst- und Gemüsesorten, Gewürze oder Ähnliches kann es ein beliebtes Superfood-Produkt auf dem Markt werden», berichtet Krisl.
«Definiert man Superfood relativ eng im Sinne von exotischen Superfoods, dann sind es vor allem Convenience-Produkte mit Superfoodzutaten, die beliebt sind und auch von den Kunden preislich honoriert werden», ergänzt Otto Strecker, Agrar-Marketing-Spezialist bei der AFC Consulting Group. Monoprodukte wie Chia-Samen seien vergleichsweise teuer und würden nicht zuletzt deshalb auch nur «in überschaubaren Mengen» über den LEH vertrieben. «Als verarbeitete Convenience-Produkte leisten sie aber einen Imagetransfer auf das Gesamtprodukt, das dann vom besonderen Renommee der Superfoods profitieren kann», sagt Strecker.
Exotik macht interessant
Auch in einem weiteren Punkt unterscheiden sich erfolgreiche Superfood-Produkte von «normalen» gesunden Lebensmitteln wie Äpfeln oder Sauerkraut. «Es ist vor allem eine Kombination von Heilsversprechen und der Exotik ferner Länder, die diese Produkte in der Wahrnehmung besonders interessant macht», sagt Otto Strecker. Die Mystik von Azteken, Inkas, tibetischen Mönchen oder altägyptischen Göttinnen bilde dafür die Basis. Sie mische sich mit touristischen Sehnsüchten und vor allem mit gesundheitsbezogenen Erwartungen sowie Nachhaltigkeitsaspekten. «Heimischen Superfoods fehlen wesentliche Bestandteile dieser Werttreiber», sagt Strecker. Leinsamen werden daher weniger als Superfood wahrgenommen als Chia-Samen und Johannisbeeren weniger als Goji-Beeren, wie eine Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung von 2020 zeigt: Die höchsten Zustimmungswerte in der Wahrnehmung als Superfood erreichten hier Chia-Samen (70 % der Befragten) und Goji-Beeren (65 %), bei Hafer oder Johannisbeeren überwog die Wahrnehmung als Non-Superfood.
Mehrwert und Regionalität
Egal ob Sanddorn oder Spirulina: Superfood-Produkte bedienen mehrere Verbrauchertrends. Dazu zählen nach Aussage der Hersteller ein «gesteigertes Gesundheitsbewusstsein» sowie der «Wunsch, gesunden Lebensstil mit Genuss zu verbinden» (Teekanne), «natürliche Inhaltsstoffe» (Kneipp), eine «Ernährung mit Mehrwert» (Allos) – aber auch «Nachhaltigkeit», «Regionalität» und die «Rückbesinnung auf Tradition». «Aus unserer Sicht rücken deshalb heimische Superfoods verstärkt in das Verbraucherinteresse», sagt Dennis Lange, Marketingleiter der Bio-Zentrale. «Lokale Superfoods wie Leinsamen, Hirse oder Grünkohl, die als ebenbürtige Pendants zu den exotischen Produkten aus dem Ausland gesehen werden können, weisen hier nicht nur eine bessere Klimabilanz auf, sondern verfügen über ebenso viele wichtige Inhaltsstoffe.»
Zielgruppe Frauen
Doch wer kauft die mit heimischen oder exotischen Powerzutaten verfeinerte Lebensmittel? Vor allem Frauen, wie etwa Prof. Dr. Ulrike Detmers von Mestemacher, Anbieter von Broten mit dem Superfood «Ölsaaten», beobachtet hat: «Die Auswertung unserer Online-Aktivitäten 2021 zeigt, dass zwei Drittel der Käufer Frauen sind. Davon sind zwei Drittel älter als 30 Jahre.» Auch Solpuro, Anbieter convenienter Avocado-Produkte wie Guacamole oder mit Avocado verfeinerter Fruit Bowls, sieht eine Tendenz zu weiblichen Konsumenten: «Sie interessieren sich stärker für Themen rund um gesunde Lebensweisen sowie qualitativ hochwertige Lebensmittel», sagt Gründer Nicolaus Vorwerk. «Zudem stehen sie neuen, innovativen Produkten aufgeschlossener gegenüber.»
Exotisch und regional
Beim Kosmetik- und Pflegeproduktehersteller Kneipp hat man dagegen beobachtet, dass der Begriff «Superfood» vorrangig eine eher jüngere Zielgruppe anspreche – die Inhaltsstoffe an sich seien jedoch käufergruppenübergreifend gefragt. «Dabei gibt es die Tendenz, dass ältere Zielgruppen schneller zu traditionellen Inhaltsstoffen wie Sanddorn greifen und jüngere Zielgruppen eher nach Rezepturen mit Cranberry oder Büffelgras suchen», sagt Sarah Krisl. Sich zwischen Altbekanntem und neuen Einflüssen zu entscheiden, müsse jedoch nicht zwingend sein: So vereine der Hersteller in seinen Dusch- und Pflegeprodukten etwa Sanddorn und Kurkuma oder Safran, Marone und Sheabutter.
Beliebte Superfoods zusammen bringt auch Allos bei seinen Brotaufstrichen: «Mit Superfoods sind längst nicht mehr nur Chia-Samen und Acai-Beeren gemeint», sagt Marketingdirektorin Sandra Spremberg: «Ob Linsen, Spinat oder Paprika, die Verbraucher wissen, was ihnen guttut und gut schmeckt.»
Superfoods der Zukunft
Welche Superfoods den Markt gerade besonders ankurbeln, unterliegt immer wieder wechselnden Trends. «Nach wie vor sind in unserem Sortiment Produkte mit der Trendzutat Ingwer besonders beliebt», sagt Jesper Petersen, Marketingleiter bei Teekanne. «Aber auch die Superfood-Zutat Hanf ist zunehmend gefragt.» Neben den Superfrüchten, -algen, -samen oder -wurzeln werden darüber hinaus völlig neue Ernährungsansätze als Superfood gehandelt: Etwa die Produktion von Insektenproteinen oder der Verzehr von Quallen – die in der asiatischen Küche als Delikatesse gelten.
Marktüberblick
Deutschland: Der Markt für Superfood-Produkte wächst laut GfK Consumer Panel (FMCG) seit Jahren konstant und hat 2021 gegenüber 2017 beim Umsatz um 46 % zugelegt. Dabei profitiert «klassisches» Superfood» (aus den Bereichen Obst, Gemüse, Gewürze, Nüsse, Öle und Fisch) sogar etwas stärker als «modernes» Superfood (aus zum Teil gleichen Bereichen). Besonderen Zuwachs erzielten aus beiden Bereichen umsatzstarke Kategorien wie Brokkoli, Knoblauch, Spinat, Ingwer, Avocado, Heidelbeeren, Himbeeren, Pistazien, Cashew, Kirchererbsen sowie Lachs.
Quelle: GfK Consumer Panel (FMCG)