Foto: Koelnmesse
Gefragt sind nach wie vor passgenaue Konzepte, die die heutigen modernen Verbraucherbedürfnisse aufgreifen. Aber auch Bewährtes wie Klassiker erleben ein Comeback.
Vegane Smoothie-Gummies, Popcorn mit Wasabi-Geschmack, eine Neuinszenierung der Marzipan-Kartoffel für die Spargelsaison, Pechkekse mit passenden (aber nicht ernsthaft) gemeinten Botschaften, Selfies aus dem 3-D-Drucker, ein Lebkuchen- Spukschloss zum Selberbauen und daneben Traditionsprodukte nach Originalrezeptur – das sind nur einige Beispiele der Neuheiten, die die Markenartikler auf der Internationalen Süßwarenmesse (ISM) präsentierten. „Die in Deutschland produzierten Süßwaren und Knabberartikel sind weltweit beliebt bei Jung und Alt, bei Männern und Frauen – für die kleinen Freuden im Alltag“, sagt Klaus Reingen, Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie e.V. (BDSI). Weiter fügt er hinzu: „Die deutsche Süßwarenindustrie gehört zu den besonders innovativen Branchen und hat auch in diesem Jahr wieder eine Vielzahl an Produktneuheiten in Köln vorgestellt.
Die Neuentdeckung der Klassiker
Die Messe ist aber nicht nur eine Plattform für Neuheiten, sondern auch ein „Trend-Barometer“. So zählt zu einem der Trends 2017 die Neuentdeckung der Klassiker. „Ganz deutlich ist ein Retro-Trend zu beobachten“, bestätigt auch Nadine Dorner, Projektleiterin der Internationalen DLG-Qualitätsprüfung für Süßwaren. Damit sind Traditionsprodukte gemeint, die häufig nach Originalrezeptur hergestellt werden. Bewährte Geschmacksprofile sind also gefragt. Dieser Fakt gewinnt durch die Studie von Sweets Global Network zum Thema „Kaufverhalten und Preisempfinden deutscher Verbraucher bei Süßwaren“ an Gewicht. So steht laut der Befragung der „Geschmack“ auf Platz 1 bei den Kaufkriterien, danach folgt auf Platz 2 das Kaufkriterium „Lieblingsprodukt/bereits bekanntes Produkt“ und auf Platz 3 der „Preis“.
Klassiker sind gefragt und wollen von den Konsumenten neu entdeckt werden. Doch ohne am Puls der Zeit zu sein und ohne die nötige Käuferschaft geht es nicht. Daher erfreuen sich auch Varianten von „alten Bekannten“ großer Beliebtheit“, so eine Feststellung vom DLG. Hierzu zählt etwa Popcorn, hier reicht die Palette von süß wie etwa Kokos-Vanille-Geschmack bis hin zu salzigen Variante, zum Beispiel mit der italienischen Kräuternote Tomate und Basilikum.
In diesem Zuge gilt es aber nicht nur, die Klassiker an den Zeitgeist anzupassen, sondern auch die heranwachsende Generation für sich zu gewinnen. Die Verjüngung der Marke wird so zur notwendigen strategischen Maßnahme im härter werdenden Wettbewerb. So will Kalfany mit der Marke Pulmoll neue Akzente setzen und in diesem Zuge jünger positioniert werden. „Einhergehend mit dieser Ausrichtungs-Aktualisierung präsentiert Pulmoll 2017 ein neues, modernes Verpackungslayout sowie innovative Produkte wie Pulmoll Duo-Gummipastillen“, heißt es bei Kalfany. Die Herbolzheimer wollen weg vom reinen „Hustenbonbon-Image“ hin zur „Instanz für Hals und Stimme“. Auch Camille Bloch will seine Leadmarke Ragusa einer Verjüngungskur unterziehen. Konkret wollte das Unternehmen auf der Messe jedoch nicht werden. Ziel ist es, neue und jüngere Konsumenten zu gewinnen. Fakt ist, dass die Schweizer auch 2017 die POS-Kampagne „Entdecke Deinen Ragusa Charakter“ unter anderem wieder mit der „Wahlkabine“ wiederholen werden.
Vegetarische und vegane Konzepte bleiben im Trend
Ferner liegen nach wie vor vegetarische und vegane Konzepte im Trend. Mit dem wachsenden Angebot verbreitert sich auch das Sortiment. Die Palette reicht heute von Schokolade über Bonbons, Fruchtgummis bis hin zu Pralinen und Gebäck. Katjes präsentierte hierzu mit „Wolke 7“ das erste Schaumzucker-Produkt im deutschen Fruchtgummimarkt, das vegetarisch ist. Seit September 2016 ist das komplette Sortiment von Katjes vegetarisch. Lühders bringt den Smoothie ins Fruchtgummi-Regal, der dank des veganen Smoothie-Gummies jetzt auch gekaut werden kann. Im Schoko-Bereich präsentierte Lambertz vegane Bio Crunchies mit Superfoods. Dabei setzen die Aachener auf den Dreiklang vegan, bio und Fairtrade, die Schokolade stammt dazu aus dem Fairtrade Kakao Programm.
Individuelle Verbraucherbedürfnisse im Fokus
Fakt ist: Passgenaue Produkte für die heutigen modernen Verbraucherbedürfnisse sind und bleiben im Trend. Dazu gehören neben vegetarischen und veganen Konzepten auch zuckerfreie/zuckerreduzierte beziehungsweise fettreduzierte Produkte. „Immer mehr Firmen bieten auch sogenannte Halal-Süßwaren an, also hergestellt nach muslimischen Traditionen“, so Reingen vom BDSI.
Zu sehen gab es auf der Messe auch wieder innovative Produkte mit „polysensualem“ Geschmackseindruck. „Darunter versteht man das bewusste Spiel mit gegensätzlichen sensorischen Eigenschaften eines Produktes, um mit Hilfe von innovativen Zutaten und Aromen ein außergewöhnliches Zusammenspiel von Geschmacks- und Textureigenschaften zu erzielen“, erklärt Nadine Dorner, Projektleiterin der Internationalen DLG-Qualitätsprüfung für Süßwaren. Dieses Spiel der Gegensätze kommt laut BDSI und DGE an und findet vermehrt den Weg ins Süßwarenregal. Beispiele hierfür sind Schokolade als Gin-Tonic-Variante oder schokolierte Marshmallow-Riegel mit Karamell und Meersalz oder in der Geschmacksrichtung Blaubeere-Basilikum.
Genussgerechte Verpackungsformate
Wenn es um die Verpackung geht, dann lautet der Trend auch für 2017 „mini“ und „single“: Kleinstückige Verpackungen, einzeln verpackte Produkte für den Genuss unterwegs, aber auch wiederverschließbare Verpackungen sind gefragt. „Die kleine Form und die einzelne Verpackung, also die Handlichkeit und Handhabbarkeit von Süßwaren und Snacks, sind klassische Convenience-Kriterien“, sagt dazu Katharina Hamma, Geschäfsführerin der Koelnmesse. Weiter fügt sie hinzu: Zahlreiche Anbieter der ISM bilden den Trend zu Convenience in ihren Produkten ab und gehen durch kleine Darreichungsgrößen und wiederverschließbaren Verpackungen zusätzlich auf den Verbraucherwunsch ein.“
Individualisierung statt Mainstream
Neben dem Format gewinnt das Thema Individualisierung bei der Süßware an Gewicht. So erfreuen sich laut dem BDSI personalisierte Produkte immer größerer Beliebtheit bei den Verbrauchern. Katjes hatte wie im vergangenen Jahr den 3D-Printer für Fruchtgummi „Magic Candy Factory“ im Gepäck. Dieses Mal standen Selfies aus Fruchtgummi im Fokus des Geschehens.
Auch das Thema Emotionalisierung wurde auf der Messe stark aufgegriffen. Vor diesem Kontext gab es einige Konzept mit Emoji zu sehen. Dabei handelt es sich um ein Ideogramm, mit dem Emotionen, aber auch allgemeine Zustände und Tätigkeiten dargestellt und ausgedrückt werden kann. Die japanischen Bildschriftzeichen waren sowohl auf Popcorn, als auch auf Kleingebäck bis hin zum Backdekor zu finden.
Big Data im Schokoladenregal
Chocri, Marktführer bei individualisierten Tafelschokoladen im deutschsprachigen Raum und Deutschlands größte Online-Confiserie, kündigte an, künftig den Service einer statistisch gesicherten Nachfrageorientierung anzubieten. Dafür hat das Unternehmen einen Präferenzatlas entwickelt, der hinunter bis auf einzelne Postleitzahlenbereiche identifizieren kann, welche bestreuten Tafelschokoladen die Deutschen am liebsten essen. Laut Chocri werden die Daten nicht aus Marktforschungsanalysen gewonnen, sondern aus realen Kaufentscheidungen.
Nachhaltiges Engagement – fair und bio
Darüber hinaus gewinnt das Thema Nachhaltigkeit an Bedeutung. So wird der Einsatz nachhaltig erzeugter Rohstoffe in Süßwaren und Knabberartikeln von der Branche intensiv vorangetrieben, so eine Einschätzung des BDSI. Fakt ist, die Fairtrade-Kakaoabsätze im Jahr 2015 haben sich laut TransFair verdoppelt. Der Marktanteil von fairem Kakao ist in Deutschland auf sechs Prozent gestiegen. Für 2017 haben sich laut TransFair weitere Partner verpflichtet, Kakao nach Fairtrade-Standards einzukaufen, unter anderem die Markenartikler Halloren, Ritter Sport und Lambertz.
Das Thema Fairtrade bewegt die Confiserie Riegelein seit dem Jahr 2011. Sie war nach eigenen Angaben das erste Unternehmen der Confiserie-Artikel-Branche, das sein komplettes deutsches Sortiment der handdekorierten Confiserie-Artikel auf Fairtrade-Standards umgestellt hat. 2014 brachte die Confiserie Riegelein als erster Anbieter der Süßwarenbranche Schokoladen-Saisonartikel mit dem Fairtrade Kakao Programm-Siegel auf den Markt. Von daher war es für Riegelein der logische Schritt nun auch ins Bio-Segment einzusteigen und präsentierte auf der ISM seine erste Bio-Fairtrade-Kollektion für Weihnachten 2017 und Ostern 2018.
Süßwaren-Paradies
Deutschland ist ein wahres Süßwaren-Paradies. Den Verbrauchern wird ein breites Angebot an unterschiedlichsten Produkten angeboten, so dass sie ihre Ernährung nach ihren individuellen Wünschen gestalten können. Doch Fakt ist auch: „Bei allen Bemühungen um neue Rezepturen und Produkte gilt aber auch weiterhin, dass letztendlich die Verbraucher entscheiden, ob eine Produktinnovation Erfolg hat, denn sie werden nur das kaufen, was ihnen auch schmeckt“, resümiert dazu Klaus Reingen, Hauptgeschäftsführer vom BDSI.