Mehr Frische geht nicht

Mittwoch, 12. Dezember 2018
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Kunden legen Wert auf frische Produkte in bedarfsgerechten Mengen. Lebensmittelhändler können diesen Wunsch bedienen. Das Konzept mit Gewächshäusern im eigenen Markt hat Wachstumspotenzial.

Es könnte die erhoffte Lösung für viele Probleme sein: Ernten direkt im Supermarkt. Keine Transportwege, keine Pestizide und trotzdem riesige Vielfalt. Und: weniger Lebensmittelabfälle und Verpackungsmüll, denn geerntet wird nur, sobald Bedarf besteht.

Mittlerweile sind solch einstige Zukunftsutopien durch modernste Technik möglich geworden. Kleine Gewächshäuser bilden eine ökologische Nische nach, in der Temperatur, Licht, Feuchtigkeit und Nährstoffe exakt an die Bedürfnisse der Pflanze angepasst werden. Die beleuchteten Schränke sind abgeschlossene Systeme, was beispielsweise Wasser spart, da so gut wie nichts verdunsten kann. Ausserdem werden Pestizide überflüssig, da keine unerwünschten Organismen zu den Pflanzen eindringen können. Und das alles an 365 Tagen im Jahr – unabhängig von Jahrhundert-Dürren oder Überschwemmungen.

Rund ums Jahr frisch ernten

Es herrscht Aufbruchsstimmung bei den Unternehmen, denn mit der Digitalisierung dieser Handelsbranche entsteht ein riesiger Wachstumsmarkt. Infarm ist einer der Betriebe,  der momentan im europäischen Raum von sich reden macht. Das Start-up entstand 2013 in Berlin. Ursprünglich hatten die drei Gründer Osnat Michaeli und die Brüder Erez und Guy Galonska ihren Eigenbedarf im Hinterkopf. Heute, nur knapp fünf Jahre später, stehen alleine in Berlin mehr als 100 Farmen: in der Gastronomie, einer Betriebskantine und im LEH, darunter in Edeka- und zwei METRO-Märkten. Auch in der Schweiz ist Infarm aktiv. Seit Kurzem stehen die Gewächshäuser in sechs Filialen der Migros in Zürich. Eines haben diese Standorte gemeinsam: eine Lage im urbanen Raum. Hier besteht der Bedarf, denn in ländlichen Gebieten gärtnern die Anwohner tendenziell eher selbst. Und so wird es voraussichtlich vorerst auch bleiben. Edeka hat den Testlauf bereits abgeschlossen und plant weitere Standorte in Ballungsgebieten. Auch die METRO verfolgt das Projekt weiter.

Vielfalt auf kleinstem Raum

Die Voraussetzungen sind überschaubar. Ein Wasserzu- und -ablauf sowie ein Stromanschluss genügen. Auch der Platzbedarf beschränkt sich durch mobile Elemente auf nur etwa zwei Quadratmeter, plus Verkaufsmöbel je nach Auswahl. Weiterer Raum wird nur während der Ernte benötigt. Und finanziell? «Infarm vermietet seine Gewächshäuser. Die Investitionskosten sind somit gut kalkulierbar», heisst es aus dem Hause Migros. Zweimal in der Woche kommen Aussendienst-Mitarbeiter, die anbauen, ernten und das Verpacken der Ware für die Verkaufsmöbel übernehmen. Das unterscheidet das Infarm-Konzept übrigens von anderen Anbietern. In der niederländischen Supermarktkette Albert Heijn XL kümmern sich die Mitarbeiter um die Pflanzen. Sobald diese ausgewachsen und ins Pflanzenregal umgezogen sind, ernten die Kunden die benötigte Menge selbst.

Und die Verbraucher? Die sind den Gewächshäusern gegenüber aufgeschlossen. Rund 66 Prozent der Befragten würden ein solches Angebot gerne nutzen, hat eine Befragung von POSpulse ergeben. Nur 12 Prozent lehnen Indoor Farming ab.

News

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Vom 24. bis 25. April findet das 125. Markant Handelsforum statt. Zu erwarten sind neben zeitaktuellen Vorträgen und Innovationen für den POS auch ein praxisnaher Austausch.

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Tegut hat das Jahr 2023 mit einem Nettoumsatz von 1,28 Milliarden Euro abgeschlossen und damit das Ergebnis des Vorjahres um 2,44 Prozent übertroffen.

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Nach einem Einbruch zu Jahresbeginn stabilisiert sich die Konsumstimmung in Deutschland jetzt wieder.

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In Österreich können biologische Lebensmittel trotz allgemeiner Teuerungen auf treue Verbraucher zählen.

Info

Wichtige Begriffe

Urban-Farming (auch: urban agriculture) ist ein Überbegriff für verschiedene Methoden, die primäre Lebensmittelproduktion in das städtische Umfeld zu integrieren. Die Strategien umfassen nicht nur Gartenbau, sondern grundsätzlich auch Tierhaltung. Der Begriff Urban-Gardening wird häufig synonym verwendet. Streng genommen beschreibt er jedoch Strategien auf deutlich kleinerem Niveau, nämlich den Gartenbau von Endverbrauchern zum Zwecke der Selbstversorgung.

Vertical-Farming, auf Deutsch so viel wie «Vertikale Landwirtschaft», ist aus dem Wissen entstanden, dass die weltweite Anbaufläche nicht reichen wird, um die künftige Weltbevölkerung mit frischen Lebensmitteln zu versorgen. Horizontal lässt sich die Fläche nicht vergrössern, vertikal sehr wohl. Die Lösung: mehrgeschossige Gebäude.
 
Indoor-Farming hebt als Begriff hervor, dass die primäre Lebensmittelproduktion «drinnen» stattfindet. Das kann in grossen Gewächshäusern geschehen (siehe Vertical-Farming), aber auch auf kleinerem Niveau in Supermärkten oder Restaurants.