Voll gehaltvoll

Mittwoch, 17. Juni 2020
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Einkorn, Emmer, Dinkel – viele Verbraucher assoziieren damit Eigenschaften wie «Ursprünglichkeit», «Natürlichkeit» oder «Gesundheit». Was ist dran? Das Markant Magazin berichtet.

Urgetreide ist wieder im Kommen! Getreide wie früher zu Urgrossvaters-Zeiten: volles Korn, robust,gehaltvoll und ungespritzt. Zurecht assoziieren viele Verbraucher damit Eigenschaften wie «Ursprünglichkeit»,
«Natürl ichkeit» oder «Gesundheit» mit einer jahrtausendealten Herkunft. Die zur Gattung Weizen gehörenden Getreidearten Einkorn, Emmer, Dinkel und Khorasan-Weizen sowie Waldstaudenroggen werden als «Urgetreide» bezeichnet. Sie erleben seit einiger Zeit eine Renaissance, auch weil diese Getreidearten in der Vergangenheit züchterisch weniger stark bearbeitet wurden.

Vor rund 10 000 Jahren gab es bereits das Wildgetreide «Einkorn». Ursprünglich kam es aus Asien und gelangte durch den Handel nach Europa, genauso wie der würzige Emmer oder der gehaltvollere dunklere Dinkel. Bis ins 19. Jahrhundert wurden diese alten Getreidearten in Deutschland angebaut. Erst als der Mineraldünger in die Landwirtschaft Einzug hielt, verschwanden die Urgetreide zugunsten des ertragreicheren
Weizens.

Waren es zunächst die kleinen Backbetriebe und Bio-Bäcker, welche die Urkornbrote in ihr Sortiment aufnahmen, ziehen die Industrie-Bäcker nach und bieten den Verbrauchern heute ebenfalls Brote und Backwaren mit Urgetreiden an, zum Beispiel mit Dinkel. Frank Kleiner, Geschäftsführer Harry-Brot, erläutert: «Lange Zeit war das Backen mit Dinkel wenig attraktiv, sowohl für die Getreidebauern wegen des Ertrags als auch für die Bäcker wegen der Backfähigkeit. Jetzt bietet die Landwirtschaft neues Dinkelgetreide, das sich genauso gut wie Weizen zu saftigen Brotsorten verbacken lässt. Das ist eine echte Bereicherung unseres Sortiments und unserer Brotkultur.»

Ralph Seibold, Geschäftsführender Gesellschafter SchapfenMühle GmbH & Co. KG, erklärt: «Als Unternehmen muss man mutig sein, um innovative Produkte auf den Markt zu bringen. In den 1980er Jahren entschied sich mein Schwiegervater dazu, anstatt Weizen Dinkel zu verarbeiten. Auch beim Emmer waren wir Impulsgeber und haben erstmals 2013 Anbauverträge angeboten. Dinkel und Emmer sind unsere grosse Stärke, wir gelten deshalb als Spezialist für Urgetreide.»

Die steigende Nachfrage nach Urgetreide-Backwaren geht laut Professor Ulrike Detmers, Gesellschafterin und Vorsitzende der Geschäftsführung der Mestemacher Management GmbH, nicht zuletzt auf den Einfluss der Fridays-for-Future-Bewegung zurück: «Bei den jungen Menschen stehen Natürlichkeit, Nachhaltigkeit und Regionalität ganz oben auf der Wertepyramide. Das beeinflusst massgeblich die Kaufentscheidungen.
» Die Philosophie des Gütersloher Traditionsbäckers fokussiert stark auf Ursprünglichkeit und Regionalität. In der Hauptsache verarbeitet das Unternehmen zwar Roggen und Bio-Roggen, unlängst wurde das Bio-Portfolio jedoch um «alte Getreidesorten» erweitert. Professor Ulrike Detmers: «Aktuell ist das ‹Grünkern-& Dinkelbrot› neu im Sortiment, zur Biofach 2021 bringen wir zusätzlich ein ‹Bio-Dinkelbrot› auf den Markt.»

Viele Verbraucher schätzen Urgetreideprodukte wegen ihres Geschmacks und auch aus gesundheitlichen Gründen. Was die Urgetreide auszeichnet ist ihr hoher Gehalt an Mineralstoffen, Zink und – im Vergleich zu Weizen – Eiweiss. Das macht Urkorn-Produkte auch für Veganer und Vegetarier attraktiv.

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Warum müssen Verbraucher für Produkte mit Urgetreide mehr bezahlen?
Emmer und Einkorn gehören zu den Spelzgetreiden, das heisst die Hülle der Körner, die Spelzen, sind fest mit dem Korn verwachsen. Dadurch ist das Korn zwar vor äusseren Einflüssen, wie Pilzbefall und Umweltschadstoffen, geschützter als Weizen, allerdings machen Spelzgetreide Müllern und Bäckern mehr Arbeit: Durch einen zusätzlichen Arbeitsgang, der beim normalen Weichweizen gar nicht nötig ist, müssen die Spelzen vom Korn getrennt werden. Während beim Weizen zirka 98 Prozent der vom Landwirt ursprünglich gelieferten Menge in der Mühle nutzbar sind, sind dies beim Einkorn nur zirka 65 Prozent. Wenn man berücksichtigt, dass auch die Ernteerträge des Urgetreides und die Mehlausbeute deutlich niedriger sind als beim Brotweizen, wundert es nicht, dass die Rohstoffkosten für eine Tonne Einkornmehl bei bis zu 700 Euro liegen, während sie für Weizenmehl rund 250 Euro betragen.

In welchem Umfang werden Dinkel, Emmer und Einkorn überhaupt angebaut?
Der Dinkel kommt auf etwa 100 000 Hektar, Emmer und Einkorn lediglich auf ein paar 100 Hektar. Brotweizen wird im Vergleich auf einer Fläche von drei Millionen Hektar angebaut. Urgetreide haben bei Anbau und Verarbeitung jedoch ihre Besonderheiten. Man muss wissen, wie sie zu handhaben sind. Aber die Mühe lohnt sich, denn Urgetreide sind Kostbarkeiten mit grossem Potenzial.

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