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Es gibt einen Punkt, auf den sich die Tabakbranche und die Anti-Raucher-Lobby einigen können: Der Jugendschutz. Bei anderen Themen gehen die Meinungen auseinander.
Für Raucher und Dampfer brechen schwere Zeiten an. Zumindest in einigen EU-Staaten. Seit Jahresbeginn dürfen in den Niederlanden keine E-Zigaretten mehr verkauft werden, die nach Pfirsich, Mango oder Minze schmecken. Belgien geht noch weiter: Als erstes EU-Land will es den Verkauf von Einweg-E-Zigaretten untersagen. Für Tabakprodukte ist bei diversen Veranstaltungen dasselbe geplant. Begründung: der Jugendschutz. Auch der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert fordert, Minderjährige besser vor gesundheitlichen Schäden durch Zigaretten jeglicher Art zu schützen. «Es geht einfach nicht, dass an jeder Tankstelle oder Supermarktkasse mit bunten Werbebildern für Tabak- und E-Zigaretten geworben werden darf.» Weil es zur Abhängigkeit von Nikotin führe.
Webbasierte Schulung
In einem Punkt geht die Tabakbranche mit dem Drogenbeauftragten konform. Auch sie setzt sich konsequent für ein Abgabeverbot ihrer Produkte an Personen unter 18 Jahren ein. Beispielsweise hat der Deutsche Zigarettenverband seit 2013 mehr als eine Million Jugendschutz-Aufkleber an Händler verteilt. «Zudem gibt es unser webbasiertes Schulungsprogramm ‹Jugendschutz im Handel›, das bereits mehr als 3000 User erfolgreich absolviert haben», sagt Jan Mücke, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse. Das Online-Tool vermittelt Verkäufern rechtliche Grundlagen und praxistaugliche Argumentationshilfen im Umgang mit jungen Kunden, die Tabakprodukte oder E-Zigaretten kaufen wollen. Auch für Steffen Kahnt, Geschäftsführer des Bundesverbands des Tabakwaren-Einzelhandels (BTWE) hat dieses Thema oberste Priorität. «Wir beraten und unterstützen unsere Mitglieder umfassend, egal ob es um den Jugendschutzaushang oder um die Altersprüfung geht.» Der Verband des eZigarettenhandels (VdeH) betrachtet sich sogar als Vorreiter. «Bereits 2011, fünf Jahre bevor die E-Zigarette ins Jugendschutzgesetz aufgenommen wurde, haben wir uns per Satzung verpflichtet, diese Produkte nur an Erwachsene abzugeben.» Auch fürs Bündnis für Tabakfreien Genuss (BfTG) ist Jugendschutz ein Anliegen, das ständig kommuniziert werde. «Das Feedback unserer Mitglieder zeigt, dass sie dieses wichtige Thema ernst nehmen und sich an die gesetzlichen Bestimmungen halten.»
Auch die Hersteller sind sich ihrer grossen Verantwortung bewusst. So hat Veronika F. Rost, Managing Direktorin von Philip Morris Germany (PMG), kürzlich 30 000 Shops angeschrieben und betont, «wie wichtig Massnahmen zum Jugendschutz sind». Parallel dazu wurden Händler über E-Learning-Module auf der Plattform «Open» und vor Ort geschult. Hinzu kommt eine neu entwickelte Online-Broschüre für den Aussendienst, bei dem Handelskunden unter anderem Jugendschutz-Aufkleber bestellen können. Auch JTI betont seine «verantwortungsvolle Vermarktung der Produkte». Im Verbund mit den BVTE-Massnahmen stelle das sicher, «dass gezielt nur Erwachsene angesprochen und die Risiken des Konsums nicht verharmlost werden». Auch Reemtsma engagiert sich intensiv für den Jugendschutz. Im Rahmen seiner Verbandsmitgliedschaften sowie durch «unsere strengen und verbindlichen Marketingrichtlinien, mit denen wir teilweise sogar über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen.»
Bundeseinheitliches Meldeportal
Der BVTE nimmt aber auch die Behörden in die Pflicht. «Das Verkaufsverbot an Minderjährige muss mit empfindlichen Bussgeldern bis zu 50 000 Euro durchgesetzt werden», fordert Mücke. Das sei in der Praxis bislang nur selten der Fall. «Ausserdem sollten Gewinne aus illegalen Verkäufen abgeschöpft werden.» Um den Vollzug zu erleichtern, plädiert er für ein bundeseinheitliches Meldeportal. «Das würde es erheblich einfacher machen, den Behörden Hinweise zu geben, wenn Händler nicht verkehrsfähige Produkte verkaufen oder E-Zigaretten an Minderjährige abgeben.»
Pohland ärgert sich auch über Influencer, die über soziale Medien «unzulässige Werbung verbreiten, die sich an ein viel zu junges Publikum richtet». Aufgrund der vielen Verstösse werde das aber nur selten effektiv verfolgt. Gleichzeitig fordert die Anti-Raucher-Lobby strengere oder gar generelle Werbeverbote. Dafür fehlt der Branche das Verständnis. «Schliesslich ist Werbung für Tabak- und Nikotinprodukte im öffentlichen Raum bereits maximal eingeschränkt», sagt Kahn. «Ausserdem haben erwachsene Konsumenten ein berechtigtes Interesse an werblichen Informationen über diverse Tabak- und Nikotinprodukte und deren unterschiedliche Risiken», fügt Mücke hinzu. Auch PMG sieht keine Notwendigkeit, den aktuellen Regulierungsrahmen noch enger zu fassen. Zumal die Quote von Jugendlichen, die Tabakerhitzer nutzen, äusserst gering sei. Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung waren es 2023 nur 0,3 Prozent. Für Reemtsma-Pressesprecher Peter Fobe wären weitere Einschränkungen bei der Werbung sogar eine Gefahr, besonders mit Blick auf erklärungsbedürftige, neuartige Produkte. «Käme es dazu, würde man dem Konzept der Tobacco Harm Reduction einen Bärendienst erweisen – und gesundheitspolitisch ein falsches Signal senden.»
Möglichkeit der Wahl
Bei Einweg-E-Zigaretten sind die Meinungen hingegen geteilt. Während sich PMG schon seit längerem für ein Verbot der sogenannten Disposables ausgesprochen hat, ist dies für andere Hersteller der falsche Weg. «Wir bei JTI meinen, dass erwachsene Konsumenten die Möglichkeit haben sollten, Produkte mit geringerem Schadenspotenzial zu wählen.» Reemtsma-Sprecher Fobe hält es ausserdem für wichtiger, Abgabeverbote wirksam zu kontrollieren und Verstösse gegen den Jugendschutz rigoros zu sanktionieren als Verbote zu fordern.