Die Zukunft isst flexibel

Montag, 26. April 2021
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Tierwohl, Nachhaltigkeit und gesunde Ernährung sind die Hauptgründe, warum Verbraucher zu Veggie-Alternativen für Fleisch, Milch oder Käse greifen. Die pflanzenbasierten «Ersatz»-Produkte bieten dem Handel lukratives Wachstumspotenzial.

Wie attraktiv der Markt der veganen und vegetarischen Produkte ist, zeigt der Eintritt grosser Akteure. Von Nestlé­ («Garden Gourmet») über Unilever («The Vegetarian Butcher») und die Bel-Gruppe («Nurishh») bis hin zum Geflügelproduzenten Wiesenhof («Green Legend»): Sie alle sind inzwischen mit pflanzenbasierten Ranges im Handel vertreten. Die Konzerne reagieren damit auf die wachsende Nachfrage. Die meisten Käufer von pflanzlich basierten Ersatzprodukten sind Flexitarier. Ihr Anteil liegt in Deutschland, je nach Studie, zwischen 30 und 55 Prozent. Dieses Potenzial machte es für Bel zum «logischen Schritt, die Marke ‹Nurishh› fest in die Gruppenstrategie zu integrieren und die Produktpalette 2021 über die traditionellen Käse-Produkte hinaus zu erweitern», erklärt Martin E. Schygulla, General Director Region DACH bei Bel.

Integration in den Speiseplan
Um Veggie-Produkte massentauglich zu verkaufen, dürfe es allerdings keine Einstiegshürden geben, heisst es bei Iglo. Das bedeutet, dass sich die Produkte einfach in den gewohnten Speiseplan integrieren lassen. «Das ist für die klassischen Zielgruppen, deren Essverhalten von gelernten Gewohnheiten geprägt ist, besonders wichtig. Diese Verbraucher greifen, um ihren Fleischkonsum zu reduzieren, eher zu Fleischalternativen, die leicht in vertraute Rezepte zu integrieren sind, als zu reinen veganen Gemüse-Produkten», sagt Anne Räwel, Senior Marketing Manager Green Cuisine bei Iglo. «Echte» Veganer interessieren sich dagegen weniger für Fleischersatz, erklärt Andrea Porsch, Marketing Managerin bei Genuport. «Ihnen fehlt nicht der Fleischgeschmack.» Anders sehe es bei Milch-Alternativen aus: «Bei Milch- und Käseersatzprodukten sind Veganer eher die Hauptzielgruppe», sagt Porsch. «Jedoch gibt es auch hier einen grossen Anteil an Käufen aus Neugier oder Gesundheitsgründen.»

Kaufkriterium Geschmack
Die Anforderungen der Shopper an Veggie-Produkte sind hoch: Das wichtigste sei der Geschmack, heisst es bei Iglo, was jedoch nicht bedeuten müsse, dass eine Fleischalternative unbedingt wie Fleisch schmeckt. Zudem seien kurze Zutatenlisten wichtig, sagt Claudia Hauschild, Leiterin der Unternehmenskommunikation der Rügenwalder Mühle. «Und zwar stärker als bei anderen Produkten, da sich die Käufer intensiv mit ihrer Ernährung auseinandersetzen». Ersatzprodukte seien oftmals hoch verarbeitete Produkte, ergänzt Andrea Porsch von Genuport. «Verbraucher achten etwa auf die Auswahl von Ölen und Fetten, da die Aufnahme der richtigen Omega-3-Fettsäuren in der pflanzlichen Ernährung eine grössere Rolle spielt. Ebenso schauen sie auf den Zuckerzusatz oder die Proteinquelle.» Die Markenartikler reagieren darauf mit einem zunehmend differenzierten Angebot. So sind bei Alpro «viele neue Zutaten hinzugekommen», sagt Alexandra Stell, Brand Marketing Managerin DACH. «Vor allem Hafer und Mandel wachsen, beliebt sind auch Produkte mit wenig oder ganz ohne Zucker.»

Trend-Ausblick
Zukunftstrends sind laut Rügenwalder Mühle die «Zunahme veganer Alternativen sowie regionale Rohstoffe». Hier führt das Unternehmen bereits Testläufe mit heimischem Soja durch. Auch alternative Proteinquellen und In-Vitro-Fleisch werden in den kommenden Jahren marktfähig sein, heisst es bei Iglo. Bei Bel erwarte man, dass längerfristig neben den bekannten pflanzlichen Alternativen immer mehr eigenständige Produkte auf den Markt kommen könnten, die Nachhaltigkeit und Gesundheitsaspekte stärker berücksichtigen, sagt Martin E. Schygulla.­ «Diese Sparte wird gar nicht erst versuchen, in Geschmack und Sensorik ein traditionelles Lebensmittel nachzuahmen, sondern ein komplett neues Produkt darstellen.»

Welche Produkte sind geeignet, um sich vollständig vegan zu ernähren?

Wer sich komplett pflanzlich, also vegan, ernähren will, sollte für Abwechslung auf dem Teller sorgen. Welche pflanzlichen Alternativen welche Nährstoffe liefern können. Eine Auswahl:

Protein: Hülsenfrüchte, Getreide, Nüsse, Ölsamen, Kartoffeln, Tempeh, Tofu
Kalzium: Gemüse, etwa Brokkoli oder Grünkohl, Nüsse, Hülsenfrüchte, Tofu, kalziumreiches Mineralwasser
Eisen: Hülsenfrüchte, Nüsse, Vollkorngetreide, Gemüse wie Schwarzwurzeln oder Spinat
Vitamin D: Champignons, Pfifferlinge, mit Vitamin D angereicherte Produkte
Docosahexaensäure (Omega-3-Fettsäure): mit Mikroalgenölen angereicherte Produkte
α-Linolensäure (Omega-3-Fettsäure): Leinöl
Riboflavin: Hülsenfrüchte, Ölsamen, Nüsse, Brokkoli
Zink: Nüsse, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte
Selen: Spargel, Kohl- und Zwiebelgemüse, Pilze, Paranüsse
Jod: jodiertes und fluoridiertes Speisesalz
Vitamin B12: Nahrungsergänzungsmittel und angereicherte Lebensmittel

Fleischlos

Fleischlose Burger, Veggie-Aufschnitt oder Fischersatzprodukte: Immer mehr Hersteller bieten Lebensmittel aus alternativen Proteinquellen an. In einer eigenen repräsentativen Studie hat die PHW-Gruppe unter anderem untersucht, welcher Fleischersatz am beliebtesten und was beim Kauf entscheidend ist. Dafür wurden vom  Meinungsforschungsinstitut Forsa vom 16. bis 27. November 2020 1003 Personen aus Deutschland befragt.

Top-10 der Fleischersatzprodukte
22 %: Tofu   
20 %: Fleischloses Hack (gegart/frisch)    
18 %: Aufschnitt   
14 %: Schnitzel   
13 %: Burger   
13 %: Würstchen   
12 %: Frikadellen   
12 %: Nuggets   
11 %: Geschnetzeltes/Streifen   
9 %: Bratwurst

Quelle: Green Legend-Veggie-Studie 2021, Forsa

Top-6 der Kaufkriterien bei Fleischersatzprodukten
72 %: Ohne Gentechnik   
68 %: Ohne Palmfett   
66 %: Ohne Geschmacksverstärker   
26 %: Komplett ohne tierische Bestandteile    
20 %: Ohne Soja   
13 %: Glutenfrei

Quelle: Green Legend-Veggie-Studie 2021, Forsa 

Vegane Ernährung im Ländervergleich

In Deutschland ist der vegane Trend am stärksten zu beobachten. Hochgerechnet auf die aktuelle Bevölkerung von 83,1 Millionen Menschen (Stand: Juni 2020), ernähren sich laut dem Europäischen Ernährungsreport 2020 von Veganz (ein Anbieter pflanzlicher Lebensmittel) 2,6 Millionen Menschen – also 3,2 % der deutschen Bevölkerung – vegan und zirka 3,6 Millionen Verbraucher (4,4 %) vegetarisch. Dänemark (2,7 %) und die Schweiz (2,6 %) belegen bei den untersuchten Ländern die Plätze zwei und drei.
Quelle: Europäischer Ernährungsreport 2020, Veganz

Buchtipp

Simple Vegan Kitchen: Schnell und vegan durch den Alltag
Die Lifestylebloggerin Susanna Wurz konnte sich schon in jungen Jahren den Traum der Selbständigkeit erfüllen. Seit fast einem Jahrzehnt teilt die gebürtige Oberösterreicherin ihr Leben und ihre Interessen auf Instagram und Co. – von Mode über Fitness bis hin zu Ernährung und Lifestyle. Ihre große Leidenschaft gilt aber vor allem dem Kochen. In »Simple Vegan Kitchen – Schnell und vegan durch den Alltag« lässt Susanna diese langjährige Passion hell aufleben. Ihre Devise: Mit Liebe zum Detail und einfachen Zutaten soll es für alle möglich sein, simple und vegane Rezepte nachkochen zu können. Der Mehrwert liegt primär darin, dass die Autorin klassische Gerichte abwandelt und in upgedateter, gesunder Version auf den Tisch bringt. Der Spaß am Kochen steht dabei an oberster Stelle, ebenso wie das Ausprobieren von neuen Zutaten und Experimentieren mit verschiedenen Geschmäckern.

Herausgeber: Dachbuch Verlag GmbH;
1. Edition (17. März 2021)

Gebundene Ausgabe: 208 Seiten
ISBN-10 : 3903263354

News

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Vom 24. bis 25. April findet das 125. Markant Handelsforum statt. Zu erwarten sind neben zeitaktuellen Vorträgen und Innovationen für den POS auch ein praxisnaher Austausch.

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Tegut hat das Jahr 2023 mit einem Nettoumsatz von 1,28 Milliarden Euro abgeschlossen und damit das Ergebnis des Vorjahres um 2,44 Prozent übertroffen.

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Nach einem Einbruch zu Jahresbeginn stabilisiert sich die Konsumstimmung in Deutschland jetzt wieder.

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In Österreich können biologische Lebensmittel trotz allgemeiner Teuerungen auf treue Verbraucher zählen.

«An pflanzlicher Ernährung führt kein Weg vorbei»

Die Zahl der Player auf dem Veggie-Markt nimmt stetig zu und in der Folge auch das Angebot.Das Markant Magazin hat mit Bernd Eßer, Geschäftsführer bei Berief Food, über diese Entwicklung gesprochen und über die Erfolgskriterien bei pflanzlichen Produkten.

Mittlerweile sind einige grosse Lebensmittelkonzerne und Fleischhersteller auf den Veggie-Trend aufgesprungen. Wie bewerten Sie diese Entwicklung und wie sorgen Sie hierbei für Differenzierung?
Bernd Eßer: Wir freuen uns, dass selbst die Grossen jetzt feststellen, wovon wir schon seit Jahrzehnten überzeugt sind: An pflanzlicher Ernährung führt kein Weg vorbei! Diesen Ansatz verfolgen wir bereits seit 1985, als Hermann Berief das Familienunternehmen im Münsterland gründete. Damals standen vor allem Produkte auf Sojabasis im Mittelpunkt. Heute produzieren wir Produkte auf Rohstoff-Basis wie Hafer, Reis, Kokos, Dinkel und Cashew. Unsere Bandbreite reicht von Tofu über pflanzliche Drinks bis hin zu leckeren Ghurts. Und das in Bio-Qualität.

Was hat es zur Folge, wenn das Angebot immer grösser wird?
Bernd Eßer: Der Markt wird dadurch vielfältiger, stärker – aber auch schnelllebiger. Für den Verbraucher bedeutet das ein Plus an Auswahlmöglichkeiten zu Lasten der Übersichtlichkeit. Für Hersteller bedeutet das ein noch härteres Ringen um die Plätze im Supermarkt-Regal. Wir sind überzeugt: Am Ende setzen sich die Hersteller durch, die den besten Geschmack zu einem reellen Preis anbieten. Da sehen wir uns sehr gut aufgestellt.

Was sind die Wachstumstreiber der Kategorie und wo geht der Trend hin?
Bernd Eßer: Einer der grössten Wachstumstreiber sind wir Menschen selbst – als Kunden beim Einkaufen. Denn: Ernährung und die eigenen Bedürfnisse werden immer stärker hinterfragt. Das hat zur Folge, dass pflanzliche Lebensmittel mittlerweile als fester Bestandteil zu einer ausgewogenen Ernährung beitragen. Dabei spielen nun auch Punkte wie Nachhaltigkeit, Rohstoffherkunft und Transparenz eine immer grössere Rolle. Also was ist drin? Wie wurde es hergestellt? Wie ist es verpackt? Und ganz wichtig: Schmeckt es auch? All das sind wichtige Kriterien für Käufer, und dieser Trend wird sich noch verstärken. All das beschäftigt uns in der täglichen Arbeit. Wir sind keine Missionare, die Menschen mit dem Zeigefinger in puncto Ernährung bevormunden. Wir möchten mit Qualität, unserer Haltung gegenüber der Umwelt und besonders auch im Geschmack überzeugen. Das ist unsere Philosophie. Bio aus Beckum. Dafür steht Berief.
 

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Bel

Der Hersteller ergänzt sein Angebot um die rein pflanzliche Range «Nurishh».