Top-Thema der Branche

Montag, 29. Juli 2024
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Der Einsatz von KI ist aktuell eines der Top-Themen für Handel und Industrie. Welche Potenziale damit erschlossen werden können und welche Hürden zu überwinden sind, zeigt eine Unternehmensumfrage.

Die Digitalisierung ihrer Prozesse hat für 59 Prozent der Unternehmen im Grosshandel sowie in der Industrie die grösste Relevanz. Danach folgt der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), der für durchschnittlich 38 Prozent der B2B-Unternehmen das Top-Thema ist. Haupttreiber für die Implementierung von KI-Lösungen sind aus Sicht der Händler und Hersteller neben internen Zielen wie Effizienzsteigerung (53 %) vor allem Kundenanforderungen und Wettbewerbsdruck (je 44 %). Das zeigen die Ergebnisse des «B2BEST Barometers» mit dem Fokusthema KI, den das ECC Köln und Creditreform im 1. Quartal 2024 gemeinsam erstellt haben.
 
Befragt wurden für die Studie Führungskräfte, die für Vertrieb, Marketing, Business Development, Digitalisierung oder E-Commerce verantwortlich sind. Insgesamt sieht die Mehrheit KI als grosse Chance und verspricht sich auch langfristig positive Auswirkungen auf Umsatz und Kosteneinsparungen. Als grössten Einflussfaktor sehen 80 Prozent der Befragten vorausschauende Analysen. Aber auch der Betrugserkennung mittels KI (77 %) sowie der automatisierten Dokumentenerstellung (76 %) wird eine grosse Relevanz zugeschrieben. In der Customer Relationship punktet KI besonders bei der Schnelligkeit und Lösungsorientierung in der Kundenbetreuung. In Sachen Kundenanforderungen hegen die Händler mit 49 Prozent deutlich grössere Erwartungen an KI als die Hersteller (40 %). Bei ihren bereits vorhandenen KI-Anwendungen nutzt die Mehrheit der befragten Unternehmen überwiegend Produkt- (72 %) und Kundendaten (67 %). KI-Lösungen werden überwiegend mit externer Hilfe umgesetzt, wobei aber mit 48 Prozent deutlich mehr Händler als Hersteller (34 %) auf spezialisierte KI-Beratung setzen. In der Industrie sind die Softwareanbieter (45 %) dafür die erste Wahl. 
 
Investitionen steigen
Die Relevanz des Themas spiegelt sich auch in den geplanten Investitionen in KI wider: Der Grossteil der Befragten hat diese bereits im Jahr 2023 erhöht und will damit in diesem Jahr fortfahren (74 %). Investiert wird an erster Stelle in die KI-Lösungen selbst (36 %), aber auch in den Ausbau der IT-Infrastruktur sowie in die Datenqualität. Ein Blick auf die verschiedenen Unternehmensbereiche zeigt, dass KI-Anwendungen schon jetzt insbesondere in der IT-Sicherheit (72 %) zum Einsatz kommen, gefolgt von Kundenservice (66 %) und Marketing (65 %).
 
Noch viele ungenutzte Potenziale
«KI-Lösungen können den Erfolg von B2B-Unternehmen in Hinblick auf Wachstum, Effizienz und Kundenbindung deutlich steigern. Viele Potenziale, unter anderem in den Bereichen Marketing, Automation, Bestandsoptimierung und Betrugserkennung bleiben zurzeit aber noch ungenutzt, auch wenn die Relevanz erkannt wird. Diesen Hebel sollten Unternehmen nutzen und entsprechende Massnahmen vorantreiben», erklärt Sébastien Wörndle, Marketing-Manager bei Creditreform.
 
Die Implementierung der KI-Lösungen stellt die Unternehmen aber vor einige Herausforderungen. Die Befragten sehen sich verschiedenen internen Barrieren gegenübergestellt, die eine erfolgreiche KI-Implementierung erschweren. Vor allem die Integration in bereits bestehende Systeme (43 %) und Datenschutzprobleme (39 %) werden in diesem Kontext genannt. Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH und Gründer des ECC, leitet aus den Umfrageergebnissen zwei wesentliche Ansatzpunkte zur Vorgehensweise ab: «Neben der Notwendigkeit, die Systemlandschaft anzupassen und die Datenqualität zu verbessern, muss KI als eine Top-Priorität des Managements festgelegt werden. Nur so können das Wissen und die Kompetenz der Mitarbeitenden verbessert und Implementierungslücken geschlossen werden.» Bei ihrer Umfrage haben die Autoren der Studie auch einen stets wirksamen Treiber für KI ausgemacht, nämlich die intrinsische Motivation der mit KI befassten Mitarbeiter in den Unternehmen. «Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass für die befragten Grosshändler und Hersteller alles rund um KI auch persönlich als interessant angesehen wird. Auch die zukünftige Relevanz für das Unternehmen wird als sehr hoch wahrgenommen.»   
 
 

Markant gründet die retail.ai GmbH

Markant sieht im Einsatz von Künstlicher Intelligenz grosse Potenziale für Handel als auch Industrie und hat deshalb die retail.ai GmbH mit Fokus auf generative KI gegründet.

Im März 2024 haben die KI-Pioniere und Professoren Dr. Peter Gentsch und Dr. Christian Au mit der Markant AG als Hauptgesellschafter in Frankfurt am Main die retail.ai GmbH gegründet. Das Start-up soll laut Geschäftsführer Mark Michaelis Handelsunternehmen und FMCG-Industrie in die Lage versetzen, generative KI optimal zu nutzen. Dazu wird die retail.ai speziell für diese Branche entwickelte generative KI-Lösungen, Aus- und Weiterbildungskurse und einen moderierten Wissensaustausch und -transfer anbieten, aber auch branchenspezifische Forschung betreiben. 

Als ein Spezialgebiet der Künstlichen Intelligenz beschäftigt sich «generative KI» mit Software, die eigenständig neue Inhalte generieren kann. Dies sind aktuell in der Regel Texte, Bilder, Musik oder Videos. Das Portfolio der retail.ai GmbH beinhaltet vier konkrete Geschäftsmodule:

  • Product Factory: Produktentwicklung entlang der Wertschöpfungskette. Zum Beispiel: «ProductWizard», der kanal- und zielgruppenspezifische Produktbeschreibungen generiert.
  • Academy: Wissensvermittlung und Workshop, vor allem in Sachen Grundlagen zu generativer KI, Ethik und Datenschutz sowie branchenspezifische Anwendungsfälle.
  • Lab: Forschungslabor für generative KI und Large Language Models.
  • Alliance: Diskussion von Themen, Herausforderungen, Best Practice-Beispielen und Optimierungspotenzialen sowie Aufbau einer Datenallianz.

Die Applikationen werden zunächst gemeinsam mit Markant Partnern entwickelt und getestet. Sukzessive stehen die Apps dann allen interessierten Unternehmen der Branche als SaaS-Lösung über eine Plattform zur Verfügung. So können auch kleinere  Firmen hoch spezialisierte generative KI-Lösungen einsetzen, wie sie bisher nur grossen Konzernen zur Verfügung standen. Die Leistungen auf der Plattform sind für die Nutzung in europäischen Unternehmen optimiert. Weil Informationssicherheit und Datenschutz dabei eine wichtige Rolle spielen, werden die Lösungen in einer sicheren «enterprise-ready»-Cloud angeboten. «Wir sehen einen enormen Bedarf an generativer KI im Markt», begründet Mark Michaelis das Engagement der Markant. Viele Unternehmen der FMCG- und DIY-Branche fragen sich jetzt aber: Wie bekomme ich das hin? Michaelis: «Eine Antwort auf diese Frage wollen wir mit der retail.ai geben.»

News

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Nach dreijähriger Bauzeit feiert der Handelskonzern Müller die Eröffnung seines neuen Flagshipstores im Gebäude Budapest Prestige.

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Im Jahr 2015 startete das Drogerieunternehmen ROSSMANN als Vorreiter im deutschen Einzelhandel seine digitale Kundenkarte in Form einer App. Ende 2024 stellt die App einen neuen Nutzerrekord auf.

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Nachhaltigkeit spielt für Jugendliche beim Online-Shopping eine immer grössere Rolle.

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Neue Exportzahlen aus Dänemark zeigen laut dem dänischen Bio-Dachverband Organic Denmark einen anhaltenden Aufwärtstrend bei Bio-Lebensmitteln.

«B2BEST»

Im Rahmen des «B2BEST Barometers» beleuchten das ECC Köln und Creditreform quartalsweise die Stimmung im Grosshandel und B2B-Vertrieb. Im 2. Quartal zeigte der «B2BEST Barometer» eine deutliche Aufhellung der Stimmung bei Händlern und Herstellern. Knapp acht von zehn (78 %) der befragten Hersteller und Grosshändler bewerten die allgemeine wirtschaftliche Lage insgesamt gut. Gegenüber dem Vorquartal (68 %) ist das eine Verbesserung um zehn Punkte. Auch investieren die Unternehmen zum zweiten Mal in Folge wieder stärker. Die Ausgaben steigen vor allen Dingen in den Bereichen Marketing-Automation (46 %) und beim digitalen Onboarding (43 %). Im 1. Quartal bildeten die Digitalisierung der Verkaufsprozesse (65 %) und Betrugsprävention (30 %) die Investitionsschwerpunkte.   
 
 

KI-Umsetzung

Grundsätzlich liegt die Verantwortung für die Umsetzung von KI-Lösungen oftmals bei der IT-Abteilung. Laut dem «B2BEST Barometer» ist das heute in 57 % der Unternehmen so. Langfristig soll das Thema jedoch stärker auf Management-Ebene verankert werden. Der Aussage «Zukünftig wird das Thema KI stärker in der Management-Ebene unseres Unternehmens verankert sein» stimmen 86 % der vom ECC Befragten zu. Für grossen Antrieb sorgen dabei die jungen Mitarbeiter. 69 % bestätigen, dass in ihrem Unternehmen vor allem junge Mitarbeitende aus den einzelnen Abteilungen die Einführung von KI-Lösungen vorantreiben.