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Der Online-Handel nutzt technische Innovationen, mit denen der Einkauf schnell und bequem erledigt ist – und gewinnt so seit Jahren Marktanteile. Gleichwohl bietet auch der traditionelle Einzelhandel Vorteile, auf die Kunden nicht verzichten möchten. Fachleute sehen durchaus Möglichkeiten, den stationären Point of Sale mit kundenfreundlichen digitalen Lösungen noch attraktiver zu machen.
Eine Möglichkeit ist dabei der Einsatz von Augmented Reality (AR), wodurch die Vorteile des traditionellen Einzelhandels mit denen des Online-Handels vereint werden. Die Realitätswahrnehmung wird bei AR durch computergestützte Informationen erweitert. Im Einzelhandel können dies das Anzeigen von Produktinformationen, Angeboten oder Produktempfehlungen sein – aber auch die Navigation durch das Geschäft. Durch AR werden Informationen oder Gegenstände virtuell in die Realität eingefügt. Die dafür nötigen Systeme stehen bereit. Allein dank der immer leistungsfähigeren Smartphones sind schon jetzt keine aufwendigen und kostspieligen Technologien wie zum Beispiel spezielle digitale «Brillen» mehr nötig – der Kunde bringt das passende Endgerät gleich mit an den stationären Point of Sale.
Kunden zeigen viel Interesse
Das Hamburger Marktforschungsunternehmen Splendid Research ist in einer repräsentativen Erhebung der Frage nachgegangen, wie der stationäre Handel dem Abwanderungstrend hin zum Online-Handel mit Hilfe von AR entgegenwirken kann. Das für Händler wichtigste Ergebnis vorweg: Es herrscht unter den Konsumenten eine hohe Bereitschaft, AR zu nutzen. 88,8 Prozent der Menschen, die diese Technologie schon einmal verwendet haben, würden dies erneut tun. Und sogar jeder zweite (47,7 %) von ihnen, der noch nie in Berührung mit AR gekommen ist, zeigt Interesse daran. «Diese Zahlen sprechen für eine hohe Weiternutzungsrate von Augmented Reality», so Studienleiterin Julia Charlotte Bungeroth.
Vier von fünf Kunden erhoffen sich durch die Nutzung von AR reine Produktinformationen. Von jenen möchten 95 Prozent den Produktpreis sehen, 69 Prozent über die Verwendung des Produkts informiert werden, und knapp 60 Prozent wünschen sich Informationen zu Material sowie zu Inhaltsstoffen der Produkte. Immer noch knapp 30 Prozent haben Interesse an Produktempfehlungen. «Hier herrscht ein hohes Cross-Selling-Potenzial, das der Einzelhandel sich zu Nutze machen kann und sollte», schlussfolgert Bungeroth. 55,3 Prozent der Kunden gaben an, dass sie sich eine Nutzung von AR im Lebensmittel-Einzelhandel vorstellen können. Nach Berechnung von Splendid Research könnte der deutsche LEH 5,44 Milliarden Euro Netto Umsatz pro Jahr mehr erwirtschaften unter der Prämisse, dass dem Nutzer durch AR ein verbessertes Einkaufserlebnis geboten wird.
Neue digitale Store-Konzepte
Neben den Instore-Anwendungen ebnet AR auch den Weg in die Omni-Channel-Welt, indem die Filiale mit ihrem kompletten Sortiment auf dem Display des Smartphones oder Tablets angezeigt wird. Damit ähnelt der Online-Einkauf dem Bummel durch einen echten Laden. Durch AR entsteht ein Einkaufserlebnis, das die räumlichen Barrieren überwindet und zusätzliche Inhalte gewissermassen in die Realität projiziert. Susanne Arnoldy, Technologie-Expertin und Partnerin bei PwC Germany, hat die Perspektiven für den Handel analysiert und sieht neue digitale Store-Konzepte dank AR: «Die Technologie und die Kreativität der Anwendungen entwickeln sich weiter, die Kunden erhalten spannende und nützliche Möglichkeiten, zu Hause oder im Büro einzukaufen.» Ihre Empfehlung an die Händler: «Bei der Entwicklung virtueller Stores und Features sollte der Fokus auf dem Mehrwert für die Kunden liegen.» Denn Beispiele aus der Vergangenheit belegen laut Arnoldy: Der Me-too-Effekt reicht nicht aus, um neue Technologien am Point of Sale langfristig zum Erfolg zu führen.