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Wonach beurteilen Konsumenten die Qualität von Lebensmitteln und Nonfood-Produkten? Welche Rolle spielt in dem Kontext die Verpackung? Eine Studie zum Thema Qualität gibt Auskunft.
Die Pommes-frites-Marke aus der Tiefkühltruhe: Laut Produktinformation auf der Verpackung sind sie lecker und knusprig, aus Biokartoffeln und in Bio-Rapsöl vorbacken. Der Beutel besteht zu mindestens 45 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen und ist mit einem Öko-Siegel versehen: Ist das verlässliche Qualität, wie sie Verbraucher heute einfordern?
Auch im Zeitalter neuer digitaler Informationsquellen spielt die klassische Produktverpackung am POS für viele Verbraucher noch eine wichtige Rolle. Schliesslich wollen die Kunden sicher sein, dass das Produkt qualitativ die Anforderungen erfüllt, die sie von ihm erwarten. Doch mit welchen Massstäben beurteilen Verbraucher Qualität? Haben alle dasselbe Verständnis von Qualität? Sind es noch die gleichen Kriterien, die frühere Generationen nutzten? Oder gelten heute in Zeiten des globalen Warenhandels und einer unüberschaubaren Produktvielfalt in den SB-Regalen andere Massstäbe als früher? Schliesslich haben Markenprodukte heute als verlässlicher Qualitätsindikator für die Mehrzahl der Verbraucher eine sinkende Bedeutung gegenüber den Handelsmarken, Lebensmittelskandale sind allgegenwärtig und erschüttern immer wieder das Vertrauen in die Qualität und Sicherheit von Produkten. Konsumenten folgen in der Ernährung immer stärker dem Wunsch nach gesunden, natürlichen Lebensmitteln, zudem spielen aktuelle Trends und individuelle Lebensstile eine stetig zunehmende Rolle.
Sinne stehen im Vordergrund
Und doch: «Konsumenten beurteilen Qualität von Lebensmitteln primär aufgrund ihrer sensorischen Erfahrungen – oder denen anderer», sagt dazu Prof Dr. Dr. Thomas Roeb vom Institut für angewandte Handelsforschung der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Geschmack und Aussehen, das sind die Kriterien, die nach wie vor absoluten Vorrang vor allen anderen Qualitätsindikatoren haben, lautet ein Ergebnis seiner Studie zum Thema Qualität. Verbraucher vertrauen also auch in Zeiten einer ungeheuren Informationsflut weiter primär auf die eigenen Instinkte – und auch auf die anderer Verbraucher, mit denen sie sich – zunehmend in den sozialen Medien – über die Qualität von Produkten austauschen und die persönlichen Erfahrungen teilen. Influencer im Netz haben als Produkttester und Meinungsführer eine erhebliche Marktmacht entwickelt und können mit ihren Urteilen für die Hersteller der entsprechenden Produkte zum Fluch oder Segen werden.
Siegel geben Orientierung
Aber: Neben der sensorisch gesteuerten Urteilskraft bedienen sich Verbraucher laut Studie heute weiterer Qualitätsindikatoren, die zu einer Objektivierung der eigenen Bewertung beitragen können. Diese Qualitätskriterien stammen eher aus dem aktuellen gesellschaftlichen Diskurs, der um Themen wie natürliche Ernährung, Nachhaltigkeit, Bioerzeugung, Umweltschutz und Tierwohl kreist. Er hat zum Beispiel eine Reihe von Gütesiegeln hervorgebracht, die Qualität verlässlich garantieren sollen. Auch Inhaltsstoffe stehen im Zuge des Wunsches nach einer natürlichen Ernährung, aber auch besonderer Ernährungsformen deutlich stärker im Fokus. Neben den Gütesiegeln dienen überdies plakative Produktbeschreibungen wie «frei von…», «ohne…» auf den Verpackungen zur entsprechenden Verbraucherinformation. «Überall, wo der Verbraucher mit seinem sensorischen Urteil an Grenzen stösst, also bei Qualitätsversprechen, die sich dieser Art von Kontrolle weitgehend oder ganz entziehen, etwa bei Fairtrade, sozialverträglicher Produktion, Herkunft aus Bio-Anbau, gesundheitsbezogenen Inhaltsstoffen, bieten diese Hinweise und Siegel auf der Verpackung den Verbrauchern eine zusätzliche Orientierungshilfe», stellt Roeb fest.
Zusätzliche abstrakte Qualitätsmerkmale wie Preis und Herkunft, Haltbarkeit, Marke und Bekanntheit runden dieses erweiterte Qualitätsbewusstsein ab. Haltbarkeit geniesst dabei im Lebensmittelbereich natürlich eine besonders hohe Bedeutung. Daneben sind Preis und Herkunft von deutlich höherer Verbraucherrelevanz als Marke und Bekanntheit, Händler oder Präsentation, weist die Studie des Instituts für Handelsforschung nach. Ebenso wie die sensorischen sind aber auch nicht-sensorische Qualitätskriterien abhängig vom Verbrauchertyp, das heisst, ein Ergebnis individueller Wahrnehmungen und Einstellungen.
Im Nonfood-Bereich stösst die Sensorik der Verbraucher zur Qualitätsbeurteilung ebenfalls an Grenzen: Hier geht es – abgesehen vom sensorisch beurteilten Aussehen eines Produkts – um Themen wie Funktionalität und Langlebigkeit. Auch hier tragen beispielsweise Gütesiegel auf der Verpackung bei vielen Verbrauchern dazu bei, das eigene Qualitätsverständnis zu erweitern und die Kaufentscheidung zu erleichtern. Besonders populär bei den Verbrauchern sind dabei nach wie vor die Bewertungen der Stiftung Warentest oder auch von Ökotest. Doch die Industrie nutzt inzwischen selbst die Möglichkeit, über das Netz oder Samplings direkt mit den Verbrauchern in Kontakt zu treten, animiert diese zu Verbesserungsideen bei der Produktentwicklung oder zu Produkttests und/oder engagiert Influencer für das eigene Produktmarketing.
Qualität lässt sich darüber hinaus über bestimmte Begriffe kommunizieren, die bei den Verbrauchern derzeit wieder ein besonderes Vertrauen geniessen und die Emotionen ansprechen: «Handgefertigt/Hand-Crafted», «aus Deutschland/in Deutschland hergestellt», «aus regionaler Erzeugung» sollen den Verbrauchern Qualität signalisieren. Lose Ware steht bei vielen Konsumenten im Ansehen höher als abgepackte, teure höher als preiswerte, frische mehr als tiefgekühlte Ware. Das gilt auch für die Einkaufsstätte: Der Wochenmarkt liegt in der Rangfolge deutlich vor dem Geschäft, der Supermarkt vor dem Discounter, hat die Qualitätsstudie ergeben.
Eine verkaufsaktiv gestaltete Produktverpackung muss laut Roeb beides leisten: Sie muss sowohl äusserlich als auch über die auf ihr abgedruckten Informationen die Qualitätsansprüche der Verbraucher treffen. Nach Ansicht des Wissenschaftlers wird die Verpackung als Medium für die Qualitätskommunikation aber noch nicht voll ausgeschöpft, weil qualitätsrelevante Begriffe fehlen und die Verpackung selbst keine hohe Qualitätsanmutung erkennen lässt – zum Beispiel im Aussehen, in der Farbe oder Haptik. Allerdings sieht Roeb hier vor allem die Handelsmarken und hier wiederum den Preiseinstiegsbereich in der Pflicht. Während Marken und die höherwertigen Exklusivmarken des Handels in der Regel die Kommunikation über Qualität gut beherrschten, sei bei den Handelsmarken diesbezüglich noch Luft nach oben.